Blick hinter die Kulissen eines engagierten PC-Hilfe-Forums: Ein Interview mit BleepingComputer

BleepingComputer ist einer der bekanntesten (englischsprachigen) Anlaufpunkte, wenn es um Computerwissen geht. Hier finden Sie alles: von den Grundlagen über Anleitungen bis hin zu Software-Bewertungen. Wir haben uns mit Lawrence, dem Gründer und Rückgrat von BleepingComputer getroffen, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und zu ergründen, warum er endlose Stunden damit verbringt, Malware-Opfern zu helfen.

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Warum hast du BleepingComputer 2004 gegründet?

Als ich BleepingComputer ins Leben rief, gab es keine Foren, wo Computerhintergründe leicht verständlich erklärt wurden. Alle vorhandenen Seiten setzten immer gewisse Grundkenntnisse voraus. Personen mit wenig oder gar keiner Erfahrung im Umgang mit Computern waren in den Diskussionen überfordert oder fühlten sich blamiert.

Außerdem wollte ich eine Seite für meine Freunde und Familie einrichten, damit sie Computergrundlagen selbstständig lernen können, ohne mich zu nerven. :)

Seither ist die Zahl der Benutzer und Mitarbeiter gut angewachsen. Woher kommen die freiwilligen Helfer?

Bei uns gibt es ja kein Personal in dem Sinne. Die Seite besteht letztendlich aus zwei Gruppen von Freiwilligen, die BleepingComputer.com unterstützen. Die erste Gruppe sind jene, die bei uns eine Lösung für ein Problem suchten, das Erlebnis hier mochten und geblieben sind, um wiederum anderen zu helfen. Die zweite Gruppe sind Computerliebhaber und Technikenthusiasten, die sich gern mit Gleichgesinnten zu diesen Themen austauschen.

Wie es scheint, wird ja auch den Benutzern nichts berechnet. Wie finanziert sich das Ganze dann – durch Werbung und dergleichen?

In der Tat, alles auf der Seite ist 100 % kostenlos. Wir berechnen nichts und niemanden für die Unterstützung. Die Seite erzielt ihren Umsatz allein durch Werbung und den Verkauf von Partnerprodukten. Zur Werbung muss ich jedoch sagen, dass sie nur nicht angemeldeten Benutzern angezeigt wird.

BleepingComputer ist ein wichtiger Anlaufpunkt, dem die Benutzer vertrauen. Auf welcher Grundlage wird die von euch empfohlene Software ausgewählt?

Wir bekommen fast jeden Tag Anfragen, ein bestimmtes Programm zu bewerten oder zu empfehlen. Zunächst überlege ich, ob es unsere Benutzer interessieren würde. Wenn ja, bitte ich um eine Probelizenz, um zu sehen, ob der angegebene Funktionsumfang erfüllt wird. Dabei prüfe ich auch, ob auf Panikmache gesetzt wird und was generell hinter dem Programm steht. Sollte es sich als ein hochwertiges Produkt erweisen, wird es auf der Seite veröffentlicht und die Benutzer können sich ihr eigenes Bild dazu machen.

Gibt es viele Anfragen von Unternehmen, für sie zu werben oder ihre Produkte anzupreisen?

Es gehen tatsächlich viele Partneranfragen von Unternehmen ein, die einen eher zweifelhaften Ruf haben. Meistens teile ich ihnen direkt mit, dass es nicht zu einer Zusammenarbeit kommen wird. Mitunter gebe ich ihnen auch Verbesserungsvorschläge. Vom Großteil dieser Firmen hören wir nie wieder etwas. Vereinzelt erhalten wir jedoch Rückmeldungen von Unternehmen, die sich um die Beseitigung bekannter Probleme bemühen.

Ähnlich läuft das auch bei unserem Downloadbereich. Wir erhalten Anfragen, die von uns zum Herunterladen bereitgestellten Produkte mit Adware, Toolbars, Installationsprogrammen oder dergleichen zu kombinieren. Das lehnen wir konsequent ab. Unsere Produkte kommen immer ohne zusätzliches Installationsprogramm. Sollten Angebote sie später hinzufügen, werden sie entfernt.

Was passiert, wenn ein Benutzer in einem Post seine Meinung ausformuliert und du oder der Moderator anders darüber denkt?

Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung über unsere Seite oder irgendwelche Produkte. In der Vergangenheit wurden bereits wenig schmeichelhafte Kommentare zu Problemen mit unserer Seite sowie den Produkten unserer Partner oder von anderen Herstellern im Forum abgegeben. Wie haben keinen davon zensiert oder entfernt. Unsere Benutzer brauchen keine Angst vor Zensur zu haben. Sie können frei ihre Meinung zu alles und jedem äußern.

Der Benutzer würde also nicht gesperrt oder sein Post in irgendeiner Form zensiert?

Nein. Es gibt sogar einige Fälle, in denen eine schlechte Produktbewertung im Forum dazu führt, dass der Entwickler sich an der Diskussion beteiligt. Diese Entwickler tauschen sich mit den Benutzern aus, um zu erfahren, welche Probleme es gibt und wie sie diese beheben können. Die Hersteller gewinnen so mehr Respekt vor unseren Mitgliedern und diese wiederum einen besseren Eindruck vom Produkt.

Unabhängig davon, Spam und rechtlich fragwürdige Inhalte werden natürlich entfernt.

Gab es schon größere Probleme mit den im Forum veröffentlichten Meinungen?

Bisher wurden wir erst einmal wegen negativer Kommentare verklagt. Der Softwareentwickler Enigma Software hat ein Produkt namens SpyHunter. Das Unternehmen mochte die Meinungen nicht, die auf die Frage eines anderen Benutzers hin veröffentlicht wurden. Momentan läuft das Verfahren noch, da es erst im Januar eingereicht wurde.

Auf BleepingComputer gibt es viele leicht verständliche Profi-Anleitungen zum Entfernen von Malware. Wie lange dauert es, so einen Text zu schreiben?

Das Verfassen von derartigen Anleitungen ist natürlich extrem aufwendig. Im Gegensatz zu anderen Hilfeseiten zum Entfernen von Viren, analysieren wir die Infektion gründlich. Wir stellen sicher, dass wir sie installieren und die bösartigen Eigenschaften nachvollziehen können. Sollte uns das gelingen, erstellen wir zunächst eine kostenlose Lösung, um sie zu entfernen. Erst dann ist die Anleitung an der Reihe. Mitunter wird das ein langwieriger Prozess, beispielsweise wenn die Malware nicht sauber installiert wird und wir folglich keine Beispiele für ihre Symptome sehen können. Dann lohnt sich auch kein Text dazu.

Wenn ich eine Anleitung zum Entfernen von Viren schreibe, installiere ich jedes Beispiel auf einem Rechner, der speziell zum Analysieren von Malware ausgelegt ist. Anschließend setzen wir verschiedene Tools ein, um eine kostenlose Möglichkeit zum Entfernen zu finden. Wir möchten schließlich keine Hilfsmittel vorschlagen, für die unsere Benutzer bezahlen müssten. Zur endgültigen Entfernung muss ich eventuell auch selbst kleine Programme oder spezielle Batchdateien entwickeln. Je nach Infektion kann das schon einmal 1 bis 4 Stunden dauern.

Wo kommen die Beispiele her? Musst du wirklich deine Maschine infizieren?

Da wir inzwischen ein relativ großes Computerforum sind, erhalten wir oft Meldungen von Benutzern über Neuinfektionen, die uns dann auch Beispiele zur Verfügung stellen. Auf diese Weise finden wir meistens auch unsere Crypto-Ransomware-Beispiele. Sollten wir diese jedoch nicht kostenlos entschlüsselt bekommen, beschränken wir uns auf einen rein informativen Artikel dazu.

Über die Jahre haben wir auch Kontakte zu verschiedenen Antivirus-/Anti-Malware-Unternehmen und Experten zur Informationssicherheit aufgebaut. Außerdem erhalten wir durch das Herunterladen und Installieren von Adware sowie über Malware-Analyseseiten wie VirusTotal oder Malwr unsere „Testopfer“.

Ihr habt bestimmt schon viel gesehen. Was war die schlimmste Malware-Infektion, auf die ihr bei einem Benutzer gestoßen seid?

Die wahrscheinlich frustrierendsten Infektionen, mit denen ich zu tun hatte, sind Crypto-Ransomware. Es gibt viel Malware, die schwer zu entfernen ist, auf dem Computer für Chaos sorgt oder dem Benutzer einfach nur nervige Werbung anzeigt. Aber es ist wohl nichts schlimmer, als all seine Daten zu verlieren.

Konnte den Betroffenen geholfen werden?

Wir hatten Unterstützung von zahlreichen Sicherheitsexperten wie Fabian Wosar von Emsisoft, Nathan Scott von Malwarebyte und BloodDolly, eines unserer Mitglieder. Mit ihrer Hilfe konnten wir Schwächen finden, um mit bestimmter Ransomware verschlüsselte Dateien kostenlos wieder zu entschlüsseln.

Es ist natürlich auch sehr enttäuschend, wenn wir ihnen einmal nicht helfen können. Ich kann mir vorstellen, wie schmerzhaft es ist, alle privaten Daten, Fotos und Arbeiten zu verlieren.

Wie viel Zeit verbringt ihr durchschnittlich jeden Tag damit, anderen zu helfen?

Ich habe auf jeden Fall gigantisch viel Zeit in die Seite investiert. Aber als Eigentümer ist das sicherlich normal. Richtig faszinierend finde ich jedoch, wie viel Zeit unsere Freiwilligen für die Seite aufbringen. Viele von ihnen haben über 20.000 Beiträge, vereinzelt sogar bis zu 130.000 (!). Und noch großartiger ist, dass sie das alles aus purer Hilfsbereitschaft tun. Schließlich ist niemand von ihnen bei der Seite angestellt.

Aber BleepingComputer ist nicht nur ein Hilfe-Forum, sondern auch ein Netzwerk, in dem sich Gleichgesinnte finden. Wir haben einige Mitglieder, die nicht unbedingt zum Helfen hier sind. Sie genießen es einfach, sich über Technologie und damit verbundene Politiken zu unterhalten oder an Forumspielen teilzunehmen. Für viele ist es ein Platz, um nach einem langen Tag mit Freunden Spaß zu haben und abzuschalten.

Habt ihr auch schon besonders gute Rückmeldungen von Benutzern erhalten?

Über die Jahre durften wir schon viele großartige Kommentare lesen. Die Unterstützung, die uns wegen des Gerichtsverfahrens entgegengebracht wurde, hat mich überwältigt. Es haben uns so viele Mitglieder – neue wie alte – ihren Beistand ausgesprochen. Damit zeigt sich, wie viel Gutes wir über die Jahre für die Leute geleistet haben.

Das klingt ja wirklich großartig. Eine letzte Frage noch: Wofür steht der Name BleepingComputer eigentlich?

Den Domainnamen haben wir meiner Frau zu verdanken. Wir wollten einen Namen finden, der die nicht selten von Flüchen untermalte Frustration der Leute widerspiegelt, wenn sie Probleme mit ihrem Computer haben. Das war die Geburtsstunde von BleepingComputer.*

Dann bleibt uns nur noch, euch weiterhin viel Spaß beim Fluchen und viel Erfolg im Kampf für eine malwarefreie Welt zu wünschen!

Vielen Dank! Wir geben unser Bestes.

 

Übersetzt von Doreen Schäfer

Senan Conrad

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