Computerschutzsoftware made in: der Welt


Ein Blick hinter die Kulissen. Von Haylee Read.

Bei Emsisoft gibt es kein schickes Hauptquartier mit überwältigender Aussicht oder ein Bürogebäude, durch das ich schlendern könnte. Es gibt lediglich ein blaugraues Logo – online und mit einer bisher ungeschriebenen Geschichte. Ohne offizielles Büro gestaltet sich auch mein Interview mit Christian Mairoll etwas schwierig. Doch endlich fahre ich mit einem Termin in der Tasche durch die hügelige Landschaft in der Nähe von Nelson, Neuseeland. Einwohnerzahl: 5.321. Zu sehen ist davon jedoch niemand. Die Straßen sind leer. Die Anwohner nennen die Region hier „Spitze des Südens“. Mir erscheint es eher wie der Anfang vom Ende der Welt, sprichwörtlich. Die von Bergen und großen Pinien gesäumte Schotterstraße scheint ins Nirgendwo zu führen. Christian Mairoll ist das Gesicht des Unternehmens, das in der echten Welt zumindest keins zu haben scheint. Inzwischen leitet er die im Jahre 2003 in Österreich gegründete Firma von seinem ökologisch nachhaltigen Haus im ländlichen Neuseeland aus. Das wirft viele Fragen auf, auf die ich hoffentlich eine Antwort erhalten werde – sofern ich das Haus im aufkommenden Nebel überhaupt finde.

Als ich Christian Mairoll sehe, winkt er mir bereits zu. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, bin jedoch positiv überrascht, als mich der CEO eines Softwareunternehmens in T-Shirt, Jeans und Socken begrüßt. Auch ich stelle meine Schuhe im Eingangsbereich ab und er führt mich an den Kinderzimmern vorbei ins Wohnzimmer. Ein Büro sehe ich keins, lediglich einen großen Schreibtisch mit Computer, Sofas und eine offensichtlich viel genutzte Tischtennisplatte.

„Es ist durchaus möglich, auch mit einem kleinen Team auf einem hart umkämpften Markt mit den ganz Großen mitzuhalten.“

Wie viele Gründer aus den frühen Tagen der Verbrauchersoftware geriet Christian Mairoll eher zufällig an eine Karriere in dieser Branche.

„Als ich damit anfing, hätte ich nie damit gerechnet, dass es soweit kommt“, sagt er lächelnd. Dabei zeigt er mir seinen Monitor, in dem circa 15 Fenster mit den Projekten geöffnet sind, an denen er gerade arbeitet.

„Für mich begann alles mit einem Problem: 1998, also mit 16 Jahren, schickte mir jemand eine Datei über den damals beliebten Nachrichtendienst ICQ und sagte mir, ich solle doch mal dieses ‚Programm‘ ausprobieren. Zu dem Zeitpunkt war ich einer von diesen neugierigen Jungs, der wirklich alles mal am Computer ausprobierte. Also dachte ich nicht weiter darüber nach und führte auch diese Datei einfach aus. Ein paar Minuten später begann mein CD-ROM-Laufwerk sich plötzlich zu öffnen … und zu schließen und zu öffnen, zu schließen, zu öffnen … Spätestens jetzt war mir klar, dass da irgendetwas schief lief.

Bei der Datei handelte es sich um eine frühe Version des Fernwartungstools ‚Back Orifice‘“, erzählt er, während er uns in seiner blitzblanken Küche einen Tee zubereitet. „Das war meine erste Begegnung mit der unheimlichen Welt der Trojaner. Na gut, für die damaligen Verhältnisse unheimlich. Das ist natürlich nichts gegen die Bedrohungen von heute. Ich habe mich dann weiter damit befasst, weil ich verstehen wollte, wie diese Programme funktionieren und wie man sich davor schützen kann. Was als einfaches Skript begann, war bald darauf das vollständige Programm ‚Anti-Trojan‘.

Ein paar Jahre später konnte die Software einige 100 der bekanntesten Trojaner erkennen und blockieren. Da sich Antiviren-Unternehmen nicht mit Trojanern befassten, hatte ich eine gute Nische gefunden, um ein kleines Geschäft aufzubauen. Damals arbeitete ich hauptberuflich als Entwickler und später als Software-Produktmanager. Fünf Jahre und einige 100.000 Downloads von ‚Anti-Trojan‘ später gab ich diesen Job auf und gründete Emsisoft. Heute verwenden etwa 6 Millionen Benutzer unsere Produkte, die jeden Tag um Erkennungssignaturen für über 300.000 neue Bedrohungen ergänzt werden. Aber so hat es angefangen. Anschließend wollte ich beweisen, dass ein Unternehmen in einer hart umkämpften Branche trotz kleinem Team und spätem Markteinstieg selbst mit den größten Anbietern mithalten kann. Überlegen Sie mal, wir befinden uns hier mitten im Nirgendwo. Ich leite ein virtuelles Unternehmen mit einem wachsenden Team.“ Er hält inne und überlegt: „Es sind jetzt nach 15 Jahren 35 Mitarbeiter und ich habe nicht mehr als 5 von ihnen persönlich kennengelernt. Alle arbeiten als freie Mitarbeiter mit flexiblen Arbeitszeiten. Von Zuhause aus, am Strand, wo auch immer sie möchten. Unser Team ist weltweit über alle Zeitzonen verteilt. Sie verfügen über die unterschiedlichsten Hintergründe und haben alle ihre eigene Geschichte. Diese Art von Freiheit verbindet uns als ein Unternehmen, ein Team und eine Marke. Das macht uns anders, einzigartig und“, er lächelt, „gut. Vielleicht ist das der Unterschied, das Erfolgsrezept. Unsere Software macht schließlich das, was sie soll. Nicht mehr und nicht weniger. Sie funktioniert. Ebenso wie unser Team, egal wo es ist.“

„Es liegt bei jedem selbst, einem Unternehmen durch seine Zuarbeit zum Erfolg zu verhelfen.“

Ich bekomme den Eindruck, dass selbst die Punkte, die Christian Mairoll dem Zufall zuschreibt, wohl durchdacht und beabsichtigt sind – genau wie die Konstruktionsweise seines Hauses.

 

„Ich habe das Haus mit einem 33-Grad-Winkel bauen lassen, um die Lichtausbeute während der Sonnenstunden zu optimieren“, erklärt er. In seinen Worten liegt eine gewisse mechanische Direktheit, wobei ihm doch diese dezente Freude über das Erreichte anzuhören ist.

„Nachhaltigkeit ist wichtig – im Hausbau ebenso wie in der Geschäftswelt“, führt er aus. „Form muss immer eine Funktion erfüllen. Häuser werden schließlich nicht gebaut, um uns in unseren Bewegungen einzuschränken. Wir sollen uns darin wohlfühlen und uns möglichst frei bewegen können. Es soll uns einen Nutzen bringen. Das gilt auch für Unternehmen und mit unserer globalen Struktur wird uns genau das ermöglicht.

Nennen Sie es, wie Sie wollen: Open-Source-Beschäftigung oder digitaler Wandel. Es ist auf jeden Fall ein auf Offenheit und Teambemühungen basierendes Ökosystem.

Anfangs war ich gezwungen, Personal aus Ländern mit niedrigem Einkommen wie Russland zu beschäftigen. Ohne externe Zuschüsse war es für mich als Einzelkämpfer schlicht nicht möglich, qualifizierte Entwickler aus meiner Heimat – Österreich – zu beschäftigen. Später stellten wir fest, dass sich das auch zum Vorteil für das Unternehmen nutzen lässt. Mit Teammitgliedern aus allen Teilen der Welt können wir auch die jeweiligen Kundenanforderungen besser verstehen. Der Großteil unserer Mitarbeiter ist in West- und Osteuropa sowie Russland ansässig. Wir haben jedoch auch Teammitglieder in den USA, Asien und dem Südpazifik.

Auch wenn uns diese virtuelle Unternehmensstruktur maximale Flexibilität ermöglicht, gibt es doch auch einige Hürden. Wir bemühen uns daher, trotz eines wachsenden Teams mit allen Mitarbeitern in Verbindung zu bleiben. Dazu haben wir beispielsweise die interne Kommunikation auf die effektivsten Kanäle beschränkt, wie Sofortnachrichtendienste, Foren und E-Mail. Telefon- und Videoanrufe sowie standardmäßige Meetings erwiesen sich als ineffiziente Zeitverschwendung.“

„Und woher kommt der Firmenname?“, möchte ich wissen.

„Meine Initialen MC werden im englischen als Em-Si ausgesprochen. Die Software dazu und wir sind bei Emsisoft.“ Er grinst erneut. „Am Anfang hieß die Firma jedoch ‚Emsi Software GmbH‘, da das österreichische Handelsgericht einen selbst erklärenden Namen voraussetzte. Als Begründung gaben sie an, dass ‚Emsisoft‘ ebenso der Name eines Herstellers für Toilettenpapier sein könnte“, erzählt er lachend. „Ein paar Jahre später wurde das Gesetz schließlich geändert und auch Fantasienamen zugelassen. Daraufhin konnte ich die Firma wie anfänglich geplant zu ‚Emsisoft GmbH‘ umbenennen. Aber auch hier gab es bald wieder eine Änderung.

2014 entschieden meine Familie und ich, von Österreich nach Neuseeland auszuwandern. Wir hatten das Leben dort bereits 2012 zwölf Monate lang ‚angetestet‘. Bei unserer Rückkehr nach Österreich stellten wir jedoch fest, dass Neuseeland für uns der bessere Ort ist, um zu leben und Kinder großzuziehen. Daher meldete ich die Firma in Österreich ab und gründete in Neuseeland die ‚Emsisoft Ltd.‘.“

„Emsisoft zieht keine finanziellen Gewinne aus den privaten oder geschäftlichen Notfällen anderer. Niemals.“

Die Welt der Online-Bedrohungen unterliegt einem ständigen Wandel. Emsisoft hat es sich daher zur Hauptaufgabe gemacht, vor alten Bedrohungen zu schützen und neue zu erkennen, bevor sie zu einem Problem werden können.

 

„Hinsichtlich der ständigen Bedrohung durch Malware konzentrieren wir uns auf unser Kerngeschäft: das Erkennen und Entfernen von Malware. Wir haben bei mehreren Antivirus-Unternehmen beobachtet, dass sie ihr Sortiment in alle möglichen Richtungen ausbauen und Hunderte neue Funktionen hinzufügen, die nur die wenigsten Anwender wirklich benötigen. Einige scheinen ihr Kerngeschäft jedoch aus den Augen verloren zu haben und schneiden in Malware-Erkennungstests entsprechend schlechter ab. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unsere Technologie ständig weiter zu optimieren und unseren Kunden damit immer den bestmöglichen Schutz zu bieten. Mehrere Testsiege und Auszeichnungen sind der beste Beweis, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

Unser Hauptprodukt war und ist schon immer Emsisoft Anti-Malware. Es ist eine vollständige Antivirus-Lösung mit Dual-Engine-Scanner, Internetschutz und Verhaltensanalyse. Dabei hat das Programm mit seinen Scans eine hohe Erkennungsleistung und schont gleichzeitig die Computerressourcen. Durch seine benutzerfreundliche Bedienung und Konfiguration eignet es sich selbst für Anfänger.

„Was macht Emsisoft dann so besonders?“, frage ich. „Durch die weltweit verfügbaren Mitarbeiter haben unsere Kunden in allen Zeitzonen immer einen Ansprechpartner. In dieser Branche ist schnelles Handeln gefragt – bei der Reaktion auf neue Gefahren und Malware-Ausbrüche ebenso wie bei der Beantwortung von Kundenanfragen. Wenn Anwender ein dringendes Problem mit einer Malware-Infektion haben, kann es durchaus sein, dass sie für Unterstützung an Emsisoft verwiesen werden. Wir antworten schnell und bieten all unseren Kunden eine Malware-Entfernungsgarantie. Wir haben gemerkt, dass es wichtig ist, immer mit unseren Anwendern in Kontakt zu bleiben. Wir hören ihnen genau zu und erfahren so, was sie wirklich wünschen und benötigen. Ein schneller, professioneller und direkter Kundendienst ist etwas, das die Kunden langfristig schätzen werden.

Ein weiterer großer Unterschied ist die Unternehmensethik von Emsisoft. Wir sind sehr darauf bedacht, immer aufrichtig zu sein und entsprechend zu handeln. Hierfür bieten wir beispielsweise mit unserem Emsisoft Emergency Kit eine Reihe von kostenlosen Produkten zur Malware-Entfernung an, wozu auch unser Dual-Engine-Scanner gehört. Kunden können das Emergency Kit auf einem USB-Stick oder auch online erhalten. Das Wichtigste für das Produkt war aber immer, dass es kostenlos und ohne weitere Rückfragen oder Bedingungen bereitgestellt wird. Emsisoft verdient kein Geld an Notfällen. Wir möchten lediglich denen helfen, die Hilfe benötigen, und hoffen, dass die Anwender diese Haltung zu schätzen wissen. Das Gleiche gilt auch für unsere zunehmende Anzahl an Decryptern, die wir Ransomware-Opfern ebenfalls kostenlos anbieten.“

Form zur Erfüllung von Funktion

Vor dem großen Fenster läuft ein schwarzes Schaf am Zaun vorbei. Wir schauen in die hügelige Landschaft. Bei einer Reise nach Neuseeland haben Christian Mairoll und seine Familie ihr Leben überdacht – und ein neues ungleich dem in Europa gefunden.

Im Januar 2014, zehn Monate vor ihrer Ankunft in Neuseeland, fand die Familie Mairoll im Internet eine Verkaufsannonce für ein interessantes Grundstück. „In Österreich ist es nahezu unmöglich, ein großes Grundstück von 1,4 ha zu einem vernünftigen Preis zu kaufen. Dann fanden wir dieses Fleckchen Land nur ein paar Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Wir hatten es nicht einmal vor Ort besichtigt, wollten aber auch nicht das Risiko eingehen, diese Chance zu verpassen. Daher baten wir einen beliebigen Reisenden, uns mit seiner Drohne ein paar Bilder zu machen, und kauften es schließlich online.“

Jetzt pflanzen sie ihr eigenes Gemüse an und halten sich Nutztiere, die sie mit Fleisch oder Eiern versorgen. Im Regal stehen Bücher über Permakultur und regionale Kräuter und in seiner Mittagspause pflanzt der CEO heimische Bäume oder pflückt Kirschtomaten in seinem Garten. Das kürzlich nach europäischen Standards gebaute Haus im Bungalowstil ist sicher nicht das Anwesen, dass man vom Besitzer eines erfolgreichen Softwareunternehmens erwarten würde. Die Küche des ökologisch nachhaltigen Gebäudes mit drei oder vier Zimmern ist jedoch zum Sparen von Wasser, Strom und Energie nur mit hochwertigen Geräten ausgestattet. Von den Bodenbrettern bis hin zum Sonnenstand – es ist von Grund auf durchdacht. Form zur Erfüllung von Funktion eben.

Auch wenn die Wurzeln von Emsisoft in Österreich liegen, so leben sein Herz und Verstand jetzt in Neuseeland. Christian Mairoll und seine Familie zogen 18.000 km weit ans andere Ende der Welt, um anders leben zu können. Dahinter steht nicht nur eine Entscheidung, sondern der persönliche und geschäftliche Ethos, der auch die einzelnen Leben der anderen weltweit verteilten Mitarbeiter inspiriert – und so hoffentlich auch die Kunden, die auf Produkte von Emsisoft vertrauen.

 

Übersetzt von Doreen Schäfer

Senan Conrad

Weitere Artikel